Ein ehemaliger Zögling aus Wimmersdorf:
Habe vor einigen
Tagen in Google“Kinderheim Wimmersdorf „ eingegeben. Ich las sehr viele
Berichte über diverse Heime.Ich hatte eine Gänsehaut.Alles was ich las,
traf auch auf mich zu. Fühlte mich sofort in die damalige Zeit zurück
versetzt.Weiss nicht mehr genau,wann ich nach Wimmersdorf kam, müsste
aber Mitte 60er Jahre gewesen sein.Mein Leidensweg begann in der
Küst,kurz darauf Polizeiheim Boltzmanngasse,dann denke ich 6 Jahre
Wimmersdorf,dann Polytechnischer Jahrgang in Retz,danach Lehrlingsheim
HAWEI und zu allerletzt Im WERD. Dort unternahm ich einen
Selbstmordversuch,weil ich es nicht mehr in diesen KZ“s aushielt.Wurde
in die Psychiatrie im 9.Bez.überstellt,wo ich einige Tage zur Kontrolle
blieb,dann ab nach Steinhof.Auch dort sah ich nur menschenverachtendes
Personal,wurde aber nach ein bis zwei Wochen entlassen.Natürlich holte
mich der Erzieher ab,der mir im WERD einen Sonderausgang gegeben hat von
dem ich nicht mehr zurück kam.Es war der Tag,an dem die Polizei zu
meiner Mutter kam um mich ins Heim zurück zu bringen. Als ich die
Polizei vor dem Fenster sah,nahm ich meine kurz zuvor gekaufte
Rasierklinge und schnitt mir in Gegenwart meiner Mutter und 2 Schwestern
( beide waren am Wilhelminenberg ) die Pulsadern auf.Wurde dann von 2
Netten Kripobeamten in den 20.Bez. in das Unfallkrankenhaus Webergasse
gebracht,wo ich sofort operiert wurde.Dann ging es,wie schon erwähnt,in
die Psychiatrie.Als ich von Steinhof wieder ins WERD kam,ging es weiter
mit der Quälerei.Der Erzieher Schmid ,der mich von Steinhof abholte
sagte zu mir:“Na du Selbstmörder,du hast dir die Pulsadern
aufgeschnitten,als ich dir einen Sonderausgang gab,mach auf das Fenster
und hupf runter.Als ich nein sagte,bekam ich eine schallende,kräftige
Ohrfeige.Kurze Zeit danach kam mein Stiefvater auf Besuch,dem ich alles
erzählte.Dieser sagte zu mir:“Zeig mir das Arschloch,ich stech ihn
ab.Das wurde von mehreren Leuten gehört.Als mein Stiefvater mich
verliess,wurde ich ins Erzieherzimmer beordert.Dort musste ich unter
Gewaltandrohung unterschreiben,dass mein Stiefvater diese Aussage
getätigt hat.Natürlich hatten die Erzieher jetzt mächtig Angst,da mein
Stiefvater gewalttätig war.Dann ,nach ein bis zwei Wochen war ich nach
langejahrem Quälen frei.Was für eine Freude!!Die währte nicht lange.Denn
von nun an gings bergab.Saufen,obdachlos,Spielsucht,Gewalt.Meine
Familie wurde von mir nach den Heimregeln erzogen.Habe immer gedacht,das
wirst du vergessen.Bin jetzt seit 3 Jahren trockener Alkoholiker,spiele
seit 12 Jahren nicht mehr.Aber da mir diese KZ-Zeiten immer wieder vor
Augen sind,habe ich mich meinem Psychiatiker anvertraut.Jetzt weiss ich
was aus mir geworden ist.NICHTS .Habe mich am Montag dem WEISSEN RING
anvertraut,obwohl ich mit diesem SCHEISS nichts mehr zu tun haben
wollte.Habe meinem Hausarzt u.Psychiater erzählt,dass es mir lieb
wäre,am Abend einzuschlafen und morgen nicht mehr aufwache.Denn das
Leben ist zum Kotzen.Ich weiss nicht,wie ich das Leid,dass ich meiner
Familie antat, gut machen könnte.Bin mir aber sicher,dass ich nicht der
einzige Looser bin.Ich würde mich sehr freuen,wenn ich mit anderen
EX-Heiminsassen in Kontakt käme.Ich hoffe,dass ich mit diesem
geschriebenen an der richtigen Stelle bin,da mir meine wunderbare
Tochter diese Adresse mailte.Bin schon am weitersuchen,um alles zu
lesen.Wünsche noch alles Gute und hoffe auf Antwort.Mfg.xxx
An die ehemaligen Zöglinge von Wimmersdorf!
Mein Name ist ------, ich bin -- Jahre alt und habe an der Uni Wien Pädagogik
studiert... Meine Diplomarbeit handelte von den damals als "asozial"
bezeichneten Kindern und Jugendlichen vom Spiegelgrund und welche Folgen
das nationalsozialistische Erziehungs- bzw. Fürsorgesystem auf das
weitere Leben der Betroffenen hatte... So wie die Kinder vom
Spiegelgrund waren auch Sie während Ihrer Kindheit und Jugend einem
System ausgesetzt, dessen mannigfaltige traumatische Erfahrungen
dauerhafte Spuren in Ihrer Psyche hinterlasen haben, Spuren, die wohl
nie vollkommen bewältigt werden können. Ich möchte Ihnen allen an dieser
Stelle "DANKE" sagen! Danke, dass Sie mit Ihren traumatischen
Erfahrungen an die Öffentlichkeit gegangen sind, auch wenn mir bewusst
ist, dass es sicher nicht einfach ist, immer wieder aufs Neue mit
Erinnerungsbildern aus der Vergangenheit konfrontiert zu werden und sich
mit dieser ganzen Thematik nach so langer Zeit wieder zu beschäftigen.
Aber es ist wichtig und notwendig, um daraus zu lernen. Erinnern ist
notwendig, für uns, die nachfolgende Generation vor allem, damit so
etwas Schreckliches nie wieder passiert. Ich arbeite selbst seit einigen
Jahren mit Kindern und Jugendlichen und die Arbeit ist nicht immer
einfach, doch ich hoffe, ich kann den Kindern viel positives für ihren
weiteren Lebensweg mitgeben, Achtung, gegeseitigen Respekt, Toleranz,
Freude, Offenheit und Empathie... Werte, die Sie leider nicht kennen
lernen durften, weil man Ihnen mit schrecklichen Erziehungsmethoden und
schwarzer Pädagogik die Kindheit gestohlen hat. Aber Sie alle haben nie
aufgegben, sind jetzt nach so vielen Jahren an die Öffentlichkeit
gegangen und dafür haben Sie meinen vollsten Respekt! Ich kann nicht
entschuldigen oder wieder gut machen, was Ihnen damals angetan wurde,
doch ich wünsche Ihnen allen von ganzem Herzen, dass Sie zumindest eine
angemessene finazielle Enschädigung für all das Leid, das Ihnen angetan
wurde, erhalten und das Sie inneren Frieden finden. Es wurde zu lange
geschwiegen, viele Täter sind mittlerweile verstorben oder wollen zu den
Vorkommnissen keine Stellung mehr beziehen. Vergangenheitsbewältigung
kann nur stattfinden, wenn lebensgeschichtliche Erfahrungen der
Betroffenen ernst genommen werden, ich nehme Sie ernst und wünsche Ihnen
alles nur erdenklich Gute auf Ihrem weiteren Lebensweg!