Wimmersdorf und der Krieg gegen Kinder




Wenn wir schweigen und unser erlebtes in der Folterstätte Wimmersdorf und anderen Erziehungsanstalten nicht an die nächsten Generationen weiter geben, machen wir uns mitschuldig. Ich berichte hier über das Heim selbst, das von Fam. Stellbogen und ihren Handlangern mit Brutalität- Folter und Zwangsarbeit, illegal mit Wissen der Jugendwohlfahrt, Sozialdemokratie und der Niederösterreichischen Landesregierung, betrieben wurde. Mehrere ehemalige NSDAP Mitglieder die als Lehrer bzw. Erzieher im dritten Reich in Wimmersdorf gearbeitet hatten wurden, nach dem zweiten Weltkrieg mit Persilscheinen - ermöglicht durch SPÖ und ÖVP - ausgestellt vom ehemaligen Bürgermeister von Johannesberg-Leonardt Sax, auf unverantwortlichste Weise  mit Arbeit an Kindern betraut. An vielen Stellen wie dem Jugendamt selbst arbeiteten ehemalige Nationalsozialisten bis in die höchsten Ebenen. Durch Verjährungsverschleppungen der Jugendwohlfahrt, Politik und auch dem Wiener Bürgermeister Dr. Michael Häupl selbst, kommen die ehemaligen Heimkinder nur bedingt bzw. gar nicht zu ihren Recht! Eine derartige Behandlung durch den Staat ist, Demokratieverweigerung! Seit weit mehr als 100 Jahren ist es keiner Regierung gelungen ein ordentliches Pflege-Erziehungs-Schulsystem aufzubauen, im Gegenteil, es werden bis zum heutigen Tage Geschädigte produziert. Die weiter andauernde Wegsperr-Abnahme-Beschlagnahmepädagogik muss endlich beendet werden, stattdessen müssen Familien bzw. Erziehungberechtigte usw. und selbstverständlich jedes Kind gefördert werden. Bis zum heutigen Tage wurde und wird dieses Verbrechen an vielen Stellen versucht unter den Teppich zu kehren, Kommissionen zur Aufarbeitung wurden eingesetzt die alle samt hunderte Laufmeter Akten der Jugendwohlfahrt zB. im Wiener Stadt und Landesarchiv einfach ignorierten und trotzdem einen "Endbericht" wie die Wilhellminenbergkommission veröffentlichten. Vieles wurde in den Medien gebracht wobei es nahezu immer nur um Erzählungen der Geschädigten wie Schläge oder Missbrauch geht kaum wird über Verantwortlichkeiten und wie das Verbrechen an den ehemaligen Heimkindern bis zum heutigen Tage weiter geht, berichtet. Sippenhaft, als Verbrechensopfer vom Verbrechensopfergesetz ausgeschlossen, Jahrelange Gutachtermarathone beim Bundessozialamt wo vor dem Richter die Meinung vertreten wird es gäbe keine Posttraumatische Belastungsstörung. So und mit vielen anderen Menschenrechtsverachtenden Mitteln wird weiterhin gegen die Geschädigten angekämpft und diese füt eine otdrntliche Befriedung des Verbrechens als unwert gesehen. Wenn bis zum heutigen Tag von Richtern/innen-Beamten/innen-Gutachter/innen usw. die Meinung vertreten wird ein niemals existierendes Züchtigungsrecht wäre vom  Gesetz gedeckt gewesen dann kann man sich vorstellen unter welchen Vorraussetzungen und Gedankengut die Geschädigten behandelt und um ihr Recht gebracht werden. Im besonderen ist hier das Bundessozialamt (Antragsabwehramt) zu erwähnen dass mit seinen Gutachtern und Beamten bis ins Ministerium den Betroffenen weiteren schweren Schaden zugefügt hat.








 Das belassen ehemaliger Nazis zeigte sich dann auch an der Erziehung in den Heimen und der Menschenverachtenden Behandlung und Folter den "beschlagtnahmten Kindern" gegenüber.



Wiener Sozialdemokratische Bücherei, Alois Jalkotzy 1929, Lasst uns von unseren Kindern reden um später selbst als Heimdirektor von Eggenburg gegen Kinder Verbrechen zu verüben!




Die verantwortlichen Jugendamtsleiter:


1916-1920   Josef Gold             
1921-1925   Dr. Rudolf Hornek
1925-1927   Dr. Franz Karner   
1927-1938   Dr.Stephan Rieder 
      1938-1945   Dr. Hans Wolschansky
     1945-1946   Dr. Ernst Schönbauer 
   1946-1948   Dr. Alfred Seemann
  1948-1950   Dr. Ottokar Karbas  
  1950-1962   Prof. Anton Tesarek
  1963-1967   Dr. Karl Ourednik   
   1968-1991   Dr. Walter Prohaska 



1924-1981

Heimleitung: Alfred und Margarete Stellbogen

Mit offizieller Amtssignatur des Amtes der NÖ-Landesregierung (27.02.2012):

Sowohl Alfred wie auch Margarete Stellbogen scheinen in den Registrierungsblättern
zur Verzeichnung gemäß § 4 des Verbotsgesetzes 1947 auf und galten damals als
Mitglieder der NSDAP.
Bei Alfred Stellbogen ist die Mitgliedschaft von 1939 bis April 1945, bei Margarete
Stellbogen von 1.1.1940 bis April 1945 datiert. Alfred Stellbogen galt darüber hinaus auch
als Zellenleiter der NSDAP.




1900
wird das zukünftige Heim noch als kleiner Bauernhof (3041Wimmersdorf 27) gekauft

Das Gebäude (Rück-Vorderansicht) vor der Heimerrichtung
Foto: Rudolf Prinesdomu



Als Erholungsheim und Sommerfrische ausgegeben, alles nur Tarnung und Vorbereitung zum Krieg gegen Kinder?
Käufer: Paul Stellbogen
Paul Stellbogen-->Vater von Alfred Stellbogen
Alfred Stellbogen zumind. 1942 ehrenamtlicher Bürgermeister von Johannesberg


1939 - April 1945 NSDAP Mitglied und Zellenleiter Ehegatte von
Margarete Stellbogen -> NSDAP Mitglied von 01.01.1940 - April 1945
1907
Turnsaal wird gebaut

Als Turnsaal gebaut und später für Heimkinder als Speisesaal genutzt
Foto: Rudolf Prinesdomu

1914
das Heim selbst ist im Aufbau


Das Gebäude im Vordergrund wird abgerissen und das spätere Heim direkt an den Turnsaal angebaut.
Foto: Rudolf Prinesdomu

Sonnenbad und Lufthüttenanlage
Ärztlich empfohlen zur Ausführung von Abhärtungs und Stärkungskuren
nach der Naturmethode
Foto: Rudolf Prinesdomu
1916

Fremdenblatt 22Sept. 1916

Reichspost 23.Juni 1916

 
Reichspost 30. Mai 1916

 
bis 1924 wird Wimmersdorf als Erholungsheim-Kurheilanstalt usw. von Paul und Mathilda Stellbogen geführt.
1924
wird das Heim unter dem Titel "Kinderheim" von Dir. Alfred und seinen Bruder Fritz Ferdinand Stellbogen übernommen.

1926
kauft  Fam. Stellbogen das erste Auto im Ort
7.Juni schloß Herr Alfred Stellbogen Besitzer des Kinderheimes in Wimmersdorf, mit Frl. Lehrerin Grete Biedermann den Bund der Ehe. Die Trauung fand in Zwettl, dem Heimatsorte der Braut statt.
1931
(Wienerwald Bote) Tödlicher Unfall, Am 10 Oktober wurde der Zögling des Kinderheimes Wimmersdorf, Franz Charbusky, in der im Erdgeschoss des Anstaltsgebäudes befindlichen Kohlenabteilung tot aufgefunden. Da die Leiche Verletzungen aufwies, und der Totenbeschauer die Möglichkeit eines fremden Verschuldens nicht ausschloß, wurde das Bezirksgericht in Neulengbach verständigt und die Leichenöffnung veranlaßt. Die Erhebungen ergaben, daß Charbusky offenbar eine im Kohlenkeller befindliche Bretterwand erstiegen hatte und von dieser auf eine zweitem niedrigere Bretterwand gestürzt war und sich hiebei die Verletzungen zugezogen hatte. Hiebei war eine Ader geplatzt, und der Tod infolge Blutergusses in die Lunge eingetreten.
Anmerkung: Der Kohlenkeller ist 2m lang, 1m breit und zirka 1,90 m hoch. Das der Junge in diesem Raum tödlich gestürzt sein soll ist eher unwahrscheinlich und kann selbst der Laie leicht erkennen.
Gleich um das Eck stand der Heizungsofen der bei einer Kohlenstaubexplosion ein weiteres Kind tötete. 

1932

Alle wollen an den Kindern verdienen und ihnen ihre Ideologie aufzwingen.





 
1937

 
1938 
(Wienerwald Bote) Am Sonntag, den 19. Dezember gab es im Kinderheim eine öffentliche Weihnachtsfeier. Zu Beginn spielte das Heimorchester Weihnachtsstücke. Nach der Begrüßung durch den Weihnachtsmann brachten die kleinen Spieler ein Weihnachtsmärchen im wahrsten Sinne des Wortes, da man die verschiedensten Märchengestalten, wie Rotkäppchen, Dornröschen, Frau Holle, Aschenbrödel, Froschkönig und andere sehen konnten. Elfen brachten mit ihrer Königin mehrere allerliebste Reigen, Krippenlieder wurden gesungen, alte Weihnachtslieder konnte man hören und zwar in verschiedenen Ausführungen (Einzelstimmen, zweistimmig, Chöre).
Frau Direktor Stellbogen erntete mit dem "Stella Maria" (von ihren Eltern mit Klavier und Violine begleitet) reichen Beifall. Der Zuschauerraum war bis zum letzten Plätzchen besetzt. Die Ausstattung war sehr schön, die Mühe wurde durch den zahlreichen Besuch und großen Applaus belohnt. Der Reinertrag wird der Winterhilfe zugeführt.

Ernst Berger in Verfolgte Kindheit 2007
 Kinder und Jugendliche als Opfer der NS-Sozialverwaltung
Seite 222
Das Kinderheim Wimmersdorf
 Die private Erziehungsanstalt in Wimmersdorf bei Neulengbach stand unter der Leitung
von Schuldirektor Stellbogen. Die Anstalt hatte Platz für etwa 80 Kinder, die in
zeitgenössischen Quellen wie folgt beschrieben wurden: "noch erziehbare Knaben, die

von der Gemeindeverw. d. Reichsgaues Wien eingewiesen werden. Nicht mehr


behandlungsfähige Fälle von Geisteskrankheit sowie Idiotie befinden sich in der Anstalt

nicht."79

79 WStLA Mag. Abt. 212, Lang an Scharizer am 07.04.1941.
[04.03.2012 - Anmerkung:
Gauhauptstellenleiter Dr. Lang; stellvertretender Gauleiter Scharizer]

Ab Seite 413:
Tabbellarische Auswertung des Geburtenjahrganges 1931 der Wiener KÜSt
(Regina Böhler) 
[04.03.2012 - Anmerkung: siehe Seite 206 ... in der Zeit von 12.03.1938 bis 08.05.1945
untergebracht]

Seite 417:
Tabelle 8: Anzahl der Überstellungen des Geburtenjahrgangs 1931 der KÜSt pro Heim
Wimmersdorf : 51

Seite 419-420:
Tabelle 12: Heimaufenthalte geistig behinderter Kinder des Geburtenjahrgangs 1931 der KÜSt
Seite 420:
Wimmersdorf: 3
Seite 425:
Tabelle 24: Nachfolgemaßnahmen der Anstalt "Am Spiegelgrund" im Geburtenjahrgang 1931 der KÜSt
Wimmersdorf. 17
Seite 426-427:
Tabelle 25: Todesort "Am Spiegelgrund" im Geburtenjahrgang 1931 der KÜSt
Zuvor ergriffene Maßnahmen
Wimmersdorf: 3

Ab Seite 429:
Tabellarische Auswertung des Geburtenjahrgangs 1938 der Wiener KÜSt
(Vera Jandrisits)
[04.03.2012 - Anmerkung: siehe Seite 235 ... Fremdunterbringungen
zwischen März 1938 und Mai.1945]
Seite 433-434:
Tabelle 33: Ergriffene Maßnahmen im Geburtenjahrgang 1938 der Wiener KÜSt
(... Ein Kind, das zwei Mal oder öfter dieselbe Überstellungsmaßnahme hatte, wurde nur einmal gezählt)
Seite 434:
Kinderheim Wimmersdorf: 3
1939


1940-42

Interview mit Herbert David (* 24.07.1932), am 04.06.2012 in Wien
Interviewer und Transkription: Peter Ruzsicska
Anmerkungen in eckigen Klammern [], von Herbert David bestätigt.


© Herbert David
(Pavillon im Hof des Kinderheim Wimmersdorf um 1940-1942)


Ich bin Herbert David, geboren in Wien Favoriten, Quellenstraße und bin in der 
Laimäckergasse zur Schule gegangen und abgesehen davon, daß meine Mutter
gestorben ist, wie ich eineinhalbJahre war und zu Pflegeeltern aufs Land kam.
Und mit sechs Jahren nachher wieder nach Wien, um in die Schule zu gehen.
…mit acht [Jahren] ungefähr wurde ich aus dem Heim [zu Hause] wo
ich groß geworden bin aus der Quellenstraße rausgezogen und in ein
Erziehungsheim gesteckt, was man heute oder damals Wimmersdorf nannte.
Da war ich zweieinhalb Jahre. Die Ereignisse von dem Heim zur Zeit waren ja…
Damals wenn man es nicht anders weiß, lebt man sich ein undman nimmt das
wie´s kommt. Aber wenn man später drüber nachdenkt, was die Quälerei war,
war alles nur nicht angebracht. Zum Beispiel, wenn man am Abend Schlafstunde
um acht Uhr war oder neun und man hat die Augen aufgehabt, wurde man zur
Kanzlei oder zur Erzieherin vor ihr Zimmer gestellt und zwanzig mit der
Haselnussrute über die Fußsohlen oder über die Fingerspitzen.
Nicht nur einmal, hunderte mal. Oder, daß wenn man irgend etwas nicht richtig
gemacht hat, daß man hundert mal schreiben mußte. Papier und Bleistift wurde
einem nicht gegeben. Da hast das Toilettenpapier abgerissen und mußtest
schreiben. Ob die Toilette überschwemmt war oder nicht… war uninteressant
für die… In der Früh mußtest es abbringen [abgeben], herzeigen.
Das sind Sachen, die du natürlich schwer verkraften kannst. Oder wenn du im
Sommer in denFerien oben, an der oberen… Da mussten wir hochlaufen, wo
die Pritschen waren, zum Hinlegen und du bist eingeschlafen und hast dich
umgedreht, haben sie dich aufgeweckt und du mußtest tausend Liegestützen
machen oder Kniebeugen mit dem Besen in der Hand am Rücken u. s. w….
Oder wenn du irgendwie den Kopf gedreht hast, beim Essen und hast nach
links oder rechts geschaut, wurdest sofort hinter die Tafel gestellt und hast kein
Essen kriegt. Wenn du groß wirst damit, dann akzeptierst du das, aber wennst
du nachher drüber nachdenkst…

Heut´zu Tag, wenn einer sowas macht, den stecken´s ins Zuchthaus.


Damals war das Gang und Gäbe. Da war ja kein Richter.
Ich war acht Jahre alt. 1940, 1941, 1942 muß das gewesen sein.
43, 44 war ich in die Schrebergarten, oben auf der Grenzackergasse und da
habe ich die ganze Zeit oben gewohnt. Da bin ich nachher fast gar nicht mehr
zurück in die Quellenstraße gekommen. Mit vierzehn habe ich angefangen zum
Lernen [Lehre] und mit fünfzehn war ich dann wiederum in einem Lehrlingsheim
vom Staat, weil ich mehr oder weniger rausgeschmissen wurde von meiner
Großmutter und meiner Tante. Ich war in Döbling, im Lehrlingsheim. Gelernt
habe ich Schilder- und Schriftenmaler in der Bräuhausgasse in Margareten.
Die Quälerei [in Wimmersdorf] ging ja andauernd. In zweieinhalb Jahren haben
sie dich mindestens zwanzig, dreißig mal geschlagen. Auf die Hände, daß du am
nächsten Tag nicht schreiben kannst u.s.w…., auf Fußsohlen. Im Sommer
mußtest du ohne Schuhe über die Stoppelfelder laufen, da habe ich heute noch
eine verkrüppelte Zehe, weil die hat nie geheilt, ist immer eitrig gewesen. 
Du hast dort die schwarze Klothose an und die wurde zugebunden und wenn
du nicht drei Säcke voll mit Tannenzapfen gesammelt hast, entweder hast kein
Essen kriegt oder wurdest hinter die Tafel gestellt, wurdest immer
gebranntmarkt. Also du wurdest immer irgendwie gezeichnet, daß du ein
Außenseiter warst oder nicht die Bedingungen vollfüllt [erfüllt] hast u. s. w. 
Politisch kann ich mich nicht erinnern, daß wir irgendwie… 
Wir haben Soldatenspiele gemacht, was natürlich für… in dem Alter als
Jugendliche irgendwie interessant war… Du gehst durch die Kartoffelfelder
und anschleichen und lauter so Sachen… Das macht Spass. Warum?
Weil du im Freien bist. Alles immer unter Anleitung. Freiwillig wurde
nichts gemacht. Waffenübungen gab es keine, absolut nicht.
In dem Zeitraum, in dem ich in Wimmersdorf war, waren alle zwischen sechs
und vierzehn Jahre, keine älteren und keine jüngeren. Wir wurden immer unter
Gruppe geführt. Die Gruppen untereinander hatten keinen Kontakt untereinander.
Wenn du im Bett liegst und der geht da durch, irgend einer, der bestimmt worden
ist…
Von der Decken haben sie [die Kinder] den Verziehrungsfaden abgetrennt und
dann haben sie einen Knoten, einen Knopf gemacht und das war unser Spielzeug.
Mit dem Kopf so hin und her ziehen… Wenn der [der Aufpasser] das gehört
hat… Aha, da spielt einer: Geh stell dich hin!
Da hast schon wieder zwanzig über die Hände gekriegt. Oder wenn du nicht die
Augen zugehabt hast… Ich kann mich nicht mehr so ganz genau erinnern…
Aber das sind so Sachen, die eben hängen geblieben sind, warum, weil die ja
brutal waren. Es war alles irgendwie unter Druck. Du konntest dich gar nicht
richtig viel unterhalten über… Daß du eine Freizeit hattest… Daß du in den
Sommerferien in den Wald gehen konntest und spielen oder was… Das war
alles irgendwie immer… Da hab ich die Tannenzapfen genommen und
[Baum]rinde gefeilt. Da konntest du Boote machen oder irgendwas anderes
machen… Da hast du rumgespielt. Das war unser einziges Spielzeug.
Sonst hast du nichts gehabt, war ja nichts da. War alles immer unter einen
gewissen… Druck. Ich war ein eher schwächeres Kind.

[Keine Erfahrung eines sexuellen Missbrauches,
sowie keine sexuelle Berührungen]
[Auch keine Wahrnehmungen sexueller Kontakte zwischen anderen Menschen]

Das Essen war… Keiner ist verhungert. Jeder hat das Selbe gekriegt.
Wenn du den Kopf gedreht hast, bist schon wieder hinter die Tafel, war schon
wieder das Essen entzogen. Das war natürlich eine bittere Strafe, weil als
Kind hast du erst einmal Hunger.
Die Schule war im Haus, im Erdgeschoß. Die Wohnungen waren oben,
die Schule war unten. Wir waren immer die selben Gruppen. Wir waren
ungefähr dreißig Kinder, die waren immer zwei Tische.
[Insgesamt gab es vier Gruppen] 
Im ganzen Heim waren damals 140, 150 Stück [Kinder].
Im großen Speisesaal waren vorne die jüngsten und hinten die älteren Kinder.
Wie ich mir den Stoppel in die Zehe eingerannt habe [in den Stoppelfeldern],
gleich vom Anfang an, da ist meine große Zehe am rechten Fuß eitrig geworden
und ich konnte fast für ein halbes Jahr oder ein Jahr fast in keinen Schuh rein.
Ich mußte rein, ob ich wollte oder nicht und dadurch
ist er jetzt noch immer verkrüppelt. Nicht die Zehe, aber der Zehennagel.
Es ist kein Nagel, es ist Hornhaut geworden. Du mußt rein!...
Da gab´s nichts anderes. Es wurde nicht gesagt,
wie man über Stoppelfelder laufen soll. Du sollst ja nicht [drüber] laufen,
du sollst sie entlangstreichen und umbiegen. Und dadurch ist das passiert.
Später lernst du es… Und es war üblich, im Sommer jeden Tag durch die
Stoppelfelder bis zum Wald laufen und Bockerln sammeln. Darum haben sie
ja die Heizung dafür gehabt, im Winter. Ich war nie krank, außer das mit dem
Fuß. Nie, daß ich irgendwie ärztlich untersucht wurde, nein.
Es gab drei Erzieherinnen in dem Stock, wo ich geschlafen habe und drei
Lehrerinnen. Ob die Erzieherinnen auch Lehrerinnen waren, kann ich mich
nicht erinnern…
Der Direktor Stellbogen war ein großer Mann
[mit Stirnglatze und streng anliegenden Haaren] und ging immer leicht
vorgebeugt und hat einen langen Mantel angehabt. Ich würde ihn erkennen.
Er hatte zu uns selten Kontakt. [Er hatte nie persönlich Hand an uns gelegt.
Nur die Erzieherinnen führten Erziehungsmaßnahmen durch]
Wo ich mich erinnern kann, wenn wir vor den Zimmerl [der Erzieherinnen]
standen, was ja nur eine Holzverkleidung war, kann ich mich erinnern, daß ab
und zu größere Jungs rauskamen oder reingingen, in der Zeit, wo ich…
Manches mal mußtest du eine halbe Stunde warten und stehen,
bevor sie kamen: Was hast gemacht? Ah, so , die Augen offen gehabt…
Bum, bum, bum, bum und dann durftest du wieder schlafen gehen, weinend.
Heute würde ich sagen, ja [, daß ich hauptsächlich Gewalt erlebt habe.]
Damals mußtest du das akzeptieren als Teil des Lebens.
Ich war zweieinhalb Jahre dort [in Wimmersdorf] und dann wurde ich besucht
von einer meiner Tanten und dann, war das vielleicht Mitleid oder die Schulung
oder – ich habe keine Ahnung warum – und die haben mich dann rausgeholt
wieder und dann bin ich in die Quellenstraße [Quellenstraße 24A,
ein Gemeindebau – der A-Bau, genau neben dem Wasserreservoir zwischen
Absperggasse und Laimäckergasse] gekommen für eine Weile.
Und wie ich dann bissel älter war, dann war ich wieder im Schrebergarten auf der
Grenzackergasse.
Ich war insgesamt neun Jahre in Heimen, davon zweieinhalb Jahre in Wimmersdorf.
Ich bin am 24. Juli 1932 geboren und eineinhalb Jahre später ist meine Mutter
verstorben – Vater unbekannt – und dann wurde ich bis sechs Jahren zu
Pflegeeltern irgendwo auf´s Land verschickt. Wo das war, kann ich mich nicht
mehr erinnern, wurde mir auch nie erzählt. Und dann, wie gesagt, war ich zu
Hause in Wien auf der Quellenstraße und mit achteinhalb, neun war ich im
Kinderheim für zweieinhalb Jahre, in Wimmersdorf. Dann bin ich wieder raus
gekommen, war ich wieder auf der Quellenstraße. Dann mit vierzehn habe ich
angefangen zum Lernen als Schilder- und Schriftenmaler. Und mit fünfzehn bin
ich dann in ein Lehrlingsheim gekommen, in Döbling. Dann habe ich gelebt bis
siebzehn, bis fast achtzehn im Lehrlingsheim. Dann habe ich auf der
Grenzackerstraße gewohnt, bis ich zwanzig war. Und von zwanzig bin ich nach
Tirol, dort habe ich gearbeitet und gelebt. Und mit dreiundzwanzig bin ich nach
Kanada ausgewandert und seitdem lebe ich in Kanada.

[Zusätzliche Bemerkungen zum Kinderheim Wimmersdorf:]

Die militärische Organisation hat die Masse in Schach gehalten. Ich kann mich
erinnern, wo wir das Bett machen haben müssen. Das wurde eingeschlagen.
Unten unterfalten und dann die Decke mit dem Leintuch und umfalten…
Ich kann mich nicht erinnern, daß wir in der Zeitspanne wo ich dort war,
irgendwie politisch beeinflusst wurden. Mit neun Jahren war ich zu jung,
um das zu analysieren, was sich hinter der Bühne abgespielt hat, was der
Nazionalsozialismus war. Wir haben Schule gehabt: Rechnen, Schreiben,
Lesen u. s. w. gelehrt. Aber politisch war da nicht die Rede. 1941 war ja
auch erst der Anfang. Vielleicht war das nachher bissl strenger, bissl stärker…
Hitlergruß war üblich. Apelle hat es gegeben, aber daran kann ich mich nicht
mehr so genau erinnern. An einen Jungen kann ich mich genau erinnern.Er war
immer bevorzugt. Er durfte alles machen. Hingehen und hergehen. Er war
ungefähr meines Alters und hat einen runden Kopf und schneeweißes Haar
gehabt. Außergewöhnlich erkennbar. Der hat irgendwie Beziehungen gehabt
oder einen Vorteil. In welcher Art, ist mir unbekannt. Ich weiß nicht,
wie er geheißen hat…



Wien, am 05.06.2012 [Notariell beglaubigt]

Ich  Herbert David, bestätige durch meine Unterschrift den Inhalt dieses
Interviews als meine wahrhaftige Wahrnehmung der beschriebenen Sachverhalte:
Herbert David

Ich, Peter Ruzsicska, bestätige durch meine Unterschrift die Durchführung
des Interviews vom 04.06.2012 und die wahrhaftige Wahrnehmung der
dadurch beschriebenen Sachverhalte aus dem Munde von Herbert David
und erkenne, gemäß meinen eigenen Wahrnehmungen meines Aufenthaltes
als Insasse des Kinderheim Wimmersdorf in den Jahren 1970 bis 1974,
die besondere Art und Weise der durch Herrn Herbert David beschriebenen
Sachverhalte, sowie die besondere Foltertechnik des örtlichen
Erziehungspersonals exakt wieder:
Peter Ruzsicska

1944 
Im Winter 1944 wurde Roland Zavani nach Wimmersdorf überstellt, wo aus ihm ein Nationalsozialist gemacht werden sollte: "... Das war eine Art Schule und zugleich ein Ausbildungszentrum für die Hitlerjugend.




Foto: Traivail Force/Laufbild




Hier wurden wir sehr hart behandelt. Wir mussten Übungen machen, im Schnee robben und mit sehr notdürftiger Kleidung im Schnee marschieren. Wir waren nicht gut ausgerüstet. Dann gab´s Waffenübungen, wo man uns die Funktionen der Waffen beigebracht hat. Es gab nur einen Schlafsaal. Für mich war das damals sehr schlimm, daß wir jeden Morgen in den Hof hinaus mussten, um den Hitlergruß zu machen, egal ob es stürmte oder schneite. Erst danach durften wir ins Schulgebäude... ." berichtet Roland Zavani. 


Foto: Traivail Force/Laufbild


Bei Kriegsende mit 13 Jahren wurde Roland Zavani in einer Uniform der Hitlerjugend nach Frankreich zurückgeschickt.
http://www.laufbild.com/Pages/travailforce1.htm
http://www.wien.gv.at/rk/msg/2008/0923/026.html

1945 

In einer  Nacht und Nebelaktion wird Franz Pulkert vom Spiegelgrund nach Wimmersdorf überstellt. 
Interview mit Franz Pulkert

1946

Beschwerde der Russischen Besatzungsmacht wegen NS belasteten Lehrkräften





Essensentzug als Strafe










1951










1952 
Ein Leben ohne Furcht, welch verlogenen Worte der sozialistischen Partei. Die Partei gibt sich als Menschenrechtspartei während in den Heimen gefoltert wird und man volle Kenntnis von den Vorgängen in den Heimen hatte.



1955
Bei den Kinderfreunden das gleiche Bild wie auch in der Jugendwohlfahrt usw., nach aussen hin wird alles versprochen und schöngeredet während die Verantwortlichen ganz genau wissen was sich in den Erziehungsanstalten abspielt.



1967
 am 19 April besuchten Einsteigdiebe das Kinderheim Wimmersdorf.  In der Nacht zum 10. April steigen zwei Zöglinge eines Wiener Lehrlingsheimes, Karl M. und Johann K. in die Kellerräume des Kinderheimes M.Stellbogen in Wimmersdorfd ein. Sie entwendeten dort Kleidungsstücke und Esswaren im Wert von etwa 2000 Schilling, die sie  in einem Koffer in ihren Versteck, eine Scheune in Wimmersdorf, fortschleppten.
Noch an Ort und Stelle  hatten sich die Täter ihrer abgenützten und verschmutzten Kleidung entledigt und die  gut erhaltenen Sachen verschiedener Heiminsassen angezogen.
Die Beamten des Gendarmerieposten Neulengbach konnten nach Bekanntwerden des Diebstahls vorerst nur den Tatort besichtigen, die fehlenden Gegenstände registrieren und den Einstieg- und Fluchtweg rekonstruieren. Bald jedoch ging es durch Hinweise aus der Bevölkerung um einen Schritt weiter.
Verwahrloste Burschen waren schon einige Tage  verschiedenen Ortsbewohnern aufgefallen. Als die Strolche nun am Montag neuerlich sichtbar wurden, dauerte es nur Minuten, und sie liefen der Gendarmerie in die Hände. Sie des Diebstahls zu überführen war dann  nur mehr Routine, da sie auch die  gestohlenen Kleidungsstücke  anhatten.
Ohne zu zögern gaben die Diebe sofort die Tat zu. Es stellte sich heraus, dass sie vor etwa acht Tagen vom Lehrlingsheim Leopoldstadt davongelaufen und nach kurzen Aufenthalt in Wien bis Wimmersdorf marschiert waren. Sie gestanden dann noch, in Wien Döbling zwei Einbrüche verübt und sechs Autos aufgeknackt zu haben.
Die Burschen schienen nach ihren Geständnisssen erleichtert zu sein. Erschütternd nur das diese Taten im Hinblick auf ihre  Jugend. Noch dazu sind beide bereits einschlägig vorbestraft.

1981
wird der Vertrag durch die  Stadt Wien gekündigt und das Heim mit Schulden in Millionenhöhe aufgelöst

1982
 (NÖN)Kinderheim Wimmersdorf, wurden Zöglinge misshandelt?
Meine Mandantinnen empfinden die Vorwürfe als Frechheit und bestreiten aufs heftigste, dass jemals derartiges vorgefallen sei. So der St.Pöltner Rechtsanwalt Dr.Erwin Dillinger über seine Klientinnen Margarete Stellbogen(78) und deren Töchter Erika Hebar (38) und Helga Lepsinger (52). Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, dass sie im Kinderheim Wimmersdorf Zöglinge körperliche und seelische Qualen zugefügz hätten.
Im Strafantrag ist von Schlägen bis hin zur Bildung von Blutergüssen und Striemen, von stundenlangem strafweisen Stehen in der prallen Sonne und zwang zur Durchführung bis zu 100 Kniebeugen die Rede. Geschehen in der Zeit zw. 1971 und 1980. Doch erst im Jahre 1980 wurde die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen-aufgrund einer ORF-Sendung. Ein Fernsehteam der Sendung „Teleobjektiv“ unter Klaus Gatterer erschien im Kinderheim Wimmersdorf und äußerte den Wunsch, dort eine Reportage drehen zu dürfen. Die Leiterin des Kinderheims, Margarete Stellbogen, akzeptierte dies nicht und wies den ORF-Leuten die Tür.
Am 16.September 1980 sendete „Teleobjektiv“ dennoch einen Bericht über das Kinderheim und brachte darin auch Interviews mit ehemaligen Zöglingen. Allerdings ohne deren Indentität Preiszugeben. In diesen Schatteninterviews stellten die Ex-Heiminsassen die erwähnten Behauptungen über Züchtigungen auf.
Am 25.6.1982 kam es zu einer ersten Verhandlung gegen M. Stellbogen , der Richter hatte jedoch keine Zeugen geladen, daher wurde die Verhandlung vertagt. Doch wurde wenigstens die Identität der ehemaligen Zöglinge gelüftet. Es handelt sich um Helmut Nigg (22)  Alfred Stachetsberger (24) ernst Bergmann, Horst Stangl (21) , Johann (20) und Heinz Hanyka(19) sowie Andreas Arnoth (16), durchwegs aus Wiener Familien.
Am 4.8. dieses Jahres wurde Helga Lepsinger vor den Kadi gerufen. Als Zeugen erschienen aber nur Helmut Nigg und Andreas Arnoth. Ihre Ausagen waren (so Dillinger) etwas verwirrend, denn sie  verwechselten des öfteren die Namen der Beschuldigten. Auch hier wurde noch kein Urteil verkündet.
Am 3.9. nun sollte Erika Hebar vors Gericht zitiert werden, doch die Verhandlung wurde wegen Krankheit der Beschuldigten abgesetzt.
Neuerliche Termine wurden noch nicht festgesetzt, da Dillinger seine Mandant in Stellbogen als nicht  verhandlungsfähig attestieren ließ.
Verständlicher haben die Anschuldigungen die alte Dame  schwer mitgenommen, immerhin führte sie das Kinderheim Wimmersdorf schon cirka 50 Jahre. Und immer zur Zufriedenheit, wie sie beteuert. Oft kamen Eltern und dankten ihr, es gab nie zuvor Beschwerden von Kindern an ihre Eltern oder auch dritte Personen, regelmäßig kamen Vertreter der Gemeinde Wien (das privat geführte Heim hat einen Vertrag mit den Wienern), und der praktische Arzt Dr. Ferdinand Rieger aus Asperhofen zu Kontrollen. Auch Stellboges Tochter, die als Erzieherin im Kinderheim tätig gewesene Diplomfürsorgerim Erika Hebar sowie Helga Lepsinger, die das Büro führte, dementieren alle Vorwürfe und Anschuldigungen vehement.

2010

"profil" Nr. 11/10
Als Alois M. eineinhalb Jahre alt war, zog seine Mutter zu einem neuen Mann, und die Fürsorge brachte Alois ins Wiener Kinderheim „Am Himmel“. Ein halbes Jahr später kam sein Bruder nach. Die neue Frau des Vaters hatte ihm die Oberarme gebrochen und fast den Schädel zertrümmert.

Vage Bilder vom Schlafsaal, Angst vor den Klosterschwestern, viel mehr blieb Alois M. aus den frühen Jahren nicht im Gedächtnis. Mit sechs Jahren kam er in eine evangelische Anstalt bei Hainfeld. Ein Ort, den er für immer mit Stosuppen verbinden wird, in die er erbrochen hat und die er bis zur Neige auslöffeln musste. Im niederösterreichischen Caritasheim in Retz fiel er einer Erzieherin in die Hände, die es liebte, Kinder aufeinanderzuhetzen. Alois M. rangierte ganz unten, man diffamierte ihn als Bettnässer. Eines Nachts wachte er auf, weil ein anderer Bub auf ihn urinierte.

Mit acht holte ihn der Vater nach Hause, doch bald drosch die Stiefmutter wieder mit allem auf ihn ein, was ihr unter die Finger kam. Der Schularzt entdeckte die frischen Wunden am Körper des Buben. Der Bub musste ins Kinderheim in Wimmersdorf. Es war sein viertes, und verglichen mit diesem, waren alle bisherigen nur die Vorhölle gewesen.

„Wie hast du dir die Zähne geputzt?“, fragte die Direktorin am ersten Abend. Der Zehnjährige hatte noch keine Zahnbürste bekommen und sagte: „Mit dem Finger.“ Schon habe sie ausgeholt und ihm ins Gesicht geschlagen. Die Freizeitgestaltung beschränkte sich auf gespenstisch stumme Ausgänge im Hof: zwei Stunden im Kreis, eine Hand am Rücken, ein Finger der anderen Hand auf dem Mund. „Meine größte Sorge war, nicht aufs Klo zu müssen“, sagt Alois. Außerhalb der geregelten Zeiten war das verboten. Manchmal pickten die Erzieherinnen Kinder heraus und machten sie zu Aufpassern: „Die haben alle aufgeschrieben, die beim Essen geredet haben oder nach halb acht Uhr abends aufs Klo gegangen sind.“

Schläge mussten hingenommen werden. Wer sich mit den Armen schützte oder die Decke über den Kopf zog, sei an den Ohren gezogen worden, bis er blutete. Die Erzieherinnen hätten ihnen büschelweise Haare ausgerissen: „Ich habe auch noch ein paar kahle Stellen von damals am Kopf.“ Wussten sie nicht mehr weiter, sei der kräftige Gatte einer Kollegin ins Heim gekommen und habe die Buben mit Handkantenschlägen und Fußtritten traktiert.

Jede Kleinigkeit trug den Zöglingen ein Stricherl ein, das bedeutete eine halbe Stunde Strafestehen. Wer einen Teller schon vergammelter Erdäpfel hinunterwürgte, konnte sich eine halbe Stunde ersparen, sagt Alois M.: „Ich habe das manchmal gemacht, weil meine Liste immer voll war.“

Einmal stand er zwei Stunden lang frierend mit angeschnallten Skiern am Hügel hinter dem Haus und sah den anderen zu, wie sie die Piste hinunterwedelten: „Als sie fertig waren, musste ich meine Skier abnehmen. Ich durfte nicht fahren.“

In all den Jahren habe sich eine einzige Erzieherin aufgelehnt. Sie war jung, blond, rauchte heimlich und wurde nach drei Wochen entlassen: „Sie hat gesagt, das gehört verboten, was hier passiert. Wir haben sie dafür geliebt.“ Die Bewohner von Wimmersdorf schauten weg, wenn die Buben – „alle mit dem gleichen Nazi-Haarschnitt, den Nacken geschert, die Deckhaare zum Seitenscheitel gelegt“ – in Reih und Glied durch den Ort marschierten.

Neuankömmlinge wurden von den Älteren ins „Schmaucheln“ eingeführt: Sie wurden oral stimuliert, anschließend sollten sie das bei anderen praktizieren. Als Alois M. 14 war, musste er zum Vater zurück. An einem bitterkalten Jännertag rannte er wieder von dort davon. Er übernachtete in Telefonzellen und lief der Polizei in die Hände: „An diesem Tag hat mich die Stiefmutter so verdroschen, dass ich grün und blau war und nicht in die Schule gehen konnte.“
Anfang der achtziger Jahre erzählte ein Zögling aus Wimmersdorf einem Reporter der „Kronen Zeitung“, wie es dort zugegangen war. Im Juli 1981 wurde das Heim aufgelöst. Wie viele andere davor und danach. Doch nicht einmal dazu gibt es Zahlen. In seltenen Fällen versuchten ehemalige Insassen, noch an ihre Akten zu kommen, kaum jemals gelang es ihnen. Ihre brennendste Frage blieb oft unbeantwortet: „Warum war ich im Heim? Was hat mit mir nicht gestimmt?“




 







Literaturnachweise:

Karl Cervik: Kindermord in der Ostmark 2.Auflage 2004

Univ.Prof.Dr.med. Ernst Berger: Verfolgte Kindheit

Marktgemeinde Asperhofen: Asperhofen1900-1999 Teil1/2

Marktgemeinde Asperhofen: Festschrift 950 Jahre Asperhofen
Gestaltung und für den Inhalt verantwortlich:
Josef Lepsinger, 3041 Wimmersdorf 41

Stadt und Landesarchiv der Stadt Wien

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Irmtraud Leirer(Karlsson)-Rosemarie Fischer-Claudia Halletz: Verwaltete Kinder

Sonderheft IV u. V der Schriftenreihe
Der Fürsogeabteilung des Amtes der O.Ö. Landesregierung

Bericht der Heimkommission 1971

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